Zivilgesellschaft in Kolumbien trägt zum Friedensprozess zwischen Regierung und ELN bei

Nationales Partizipationskomitee gestaltet Beteiligung der Gesellschaft. Konflikt um Friedensfonds zwischen ELN und Regierung Petro

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Vertreter der Zivilgesellschaft, der ELN und der Regierung kamen in Popayán zusammen
Vertreter der Zivilgesellschaft, der ELN und der Regierung kamen in Popayán zusammen

Popayán. Mehr als 300 führende Vertreter von 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen haben am regionalen Treffen des Nationalen Partizipationskomitees für das Gebiet Süd-West teilgenommen. Es fand am 5. Mai 2024 in der Gemeinde Popayán im Departamento Cauca, im Südwesten des Landes statt.

Ziel des Treffens war es, Beiträge zur Gestaltung des Abkommens über die Beteiligung der Zivilgesellschaft zu leisten, das in den Friedensprozess zwischen der kolumbianischen Regierung und der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) eingebunden ist.

Unterdessen ist es zu einem neuen Konflikt zwischen ELN und Regierung gekommen. Die Guerilla hat angekündigt, die Entführungen mit Lösegeldforderungen zum Zweck ihrer Finanzierung wieder aufzunehmen, da der zugesagte Friedenfonds nicht wie vereinbart eingerichtet worden sei.

Das Nationale Partizipationskomitee ist ein spezielles und vorübergehendes Gremium, das mit dem Tisch für den Friedensdialog mit der ELN verbunden ist und eine grundlegende Rolle bei der Gestaltung und Förderung der Beteiligung der Gesellschaft am Friedensprozess spielen soll. Der Friedensprozess mit der ELN wurde im Jahr 2023 gestartet.

An dem territorialen Treffen in Popayán waren Delegierte aus den Provinzen Nariño, Valle del Cauca und Huila, die Frauen-, Umwelt-, Bauern-, Schwarzen-, Jugend-, Indigenen-, Studenten-, Künstler-, Bürgerinitiativen- und Arbeiterverbänden angehören, vertreten.

Eines der wichtigsten Themen, die auf dem Treffen diskutiert wurden, war die Stigmatisierung und Ermordung sozialer Führungspersönlichkeiten, die Erpressung, die Zwangsrekrutierung durch illegale bewaffnete Akteure sowie der intensive illegale Bergbau und die Monokulturen.

Juan Carlos Cuellar, Delegierter der ELN, erklärte, dass die Suche nach Frieden für alle Anwesenden von grundlegender Bedeutung sei. "Es ist offensichtlich, dass alle Akteure heute zusammenkommen, wir sehen einen Prozess der Artikulation sozialer und territorialer Dynamiken wie der Bewegung Minga del Suroccidente, und das ist stark, es ist ein Zeichen, was noch geschaffen wird".

Bereits am Vortag besuchten Delegationen der Regierung und der ELN, als Teil des Tisches für den Friedensdialog, die Gemeinde Santa Rosa del Sur in Bolivar, im Norden des Landes. Anlass des Besuchs war die Ermordung des sozialen und ökologischen Anführers Narciso Beleño.

Der Aktivist und Präsident der Federación Agrominera del Sur del Bolívar sowie Mitglied des Nationalen Agrarkoordinators (CNA) wurde am 21. April 2024 in seinem Haus in der Gemeinde Santa Rosa del Sur, Bolívar ermordet.

Beleño kämpfte mehr als drei Jahrzehnte lang gegen die Präsenz paramilitärischer Gruppen, die die Gemeinschaften in der Region angreifen und vertrieben. Er war einer der führenden Befürworter der Agrarreform und setzte sich für die Rückgabe von Land und die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen in diesem Gebiet ein.

Während ihres außerordentlichen Besuchs trafen die Delegierten Gemeindevertreter:innen, um mehr über deren Probleme und das Leid durch die starke Präsenz von Paramilitärs des "Golfclans" (Clan del Golfo) zu erfahren, der bereits 85 Prozent des Gebiets kontrolliere.

Ein weiteres Thema, zu dem die Delegationen Beschwerden erhielten, ist der zunehmende Einsatz von Maschinen für den Goldabbau und den informellen Bergbau. "Die wirtschaftliche Blockade, die die Gemeinden in den Gebieten dieser Region erfahren, führt zu einer stillen Vertreibung, da es nicht möglich ist, Pläne für ein würdiges Leben der Bewohner zu entwickeln", heißt es im Kommuniqué des Besuchs in Sur de Bolívar.

In diesem Sinne erweiterten die Gemeinschaften ihre Vorschläge zur Stärkung der Garantien für Leben und Umweltschutz und richteten einen humanitären Appell zur Achtung des Lebens, einschließlich der Forderung nach einem Abzug der Truppen der Task Force Marte.

Ein neu entbrannter Konflikt zwischen ELN und Regierung könnte indes die weiteren Verhandlungen gefährden.

Die Guerilla erklärte am 6. Mai, sie werde zum Zweck ihrer Finanzierung erneut auf Entführungen mit Lösegeldforderungen zurückgreifen. Zur Begründung heißt es, der zwischen beiden Seiten im Februar vereinbarte Fonds für den Friedensprozess sei nicht zustande gekommen.

Die ELN habe zugesagt, "die wirtschaftlichen Einbehaltungen einseitig und vorübergehend" auszusetzen. Die Zusage sei jedoch vom Funktionieren des Fonds abhängig gemacht worden, der laut Abkommen vom 9. Februar innerhalb von drei Monaten nach der Unterzeichnung eingerichtet sein sollte. Dies sei jedoch nicht geschehen "und die Regierung zeigt wenig Bereitschaft, in diesem Bereich voranzukommen", so die ELN. Die Guerilla kündige daher das Angebot auf.

Die Verhandlungsdelegation der Regierung wies die Vorwürfe umgehend zurück und kritisierte den Schritt scharf: Der Fonds sei zur Finanzierung von Friedensaktivitäten zwischen den beiden Seiten gedacht und "in keiner Weise als Gegenleistung für die Einstellung von Entführungen oder die Unterbrechung anderer spezifischer Maßnahmen des Waffenstillstands geschaffen worden". Man erwarte, dass die ELN die Verpflichtung, die sie "gegenüber der kolumbianischen Gesellschaft und der internationalen Gemeinschaft eingegangen ist, einhält und jeder Form von Entführung ein Ende setzt", heißt es in einem Kommuniqué.

Was dies für die nächste Gesprächsrunde bedeutet, ist noch unklar. Ein neuer Termin ist bisher nicht bekannt.