Haiti / Politik

Haiti kommt mit neu ernanntem Premier nicht zur Ruhe

Gewalt eskaliert nach umstrittener Wahl des neuen Interimspremiers weiter. Das Personal des "Übergangs" gewinnt kein Vertrauen im Land. Vorbereitungen der internationalen Polizeimission beobachtet

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Der "Präsidiale Übergangsrat" mit neun Mitgliedern und zwei Beobachtern wurde am 25. April per Dekret installiert
Der "Präsidiale Übergangsrat" mit neun Mitgliedern und zwei Beobachtern wurde am 25. April per Dekret installiert

Port-au-Prince. Nach der Einsetzung des wenig bekannten ehemaligen Sportministers Fritz Bélizaire als Premierminister am 30. April hat der Karibikstaat einen der größten Ausbrüche von Gewalt erlebt. Bewaffnete begannen eine Reihe neuer Angriffe und lieferten sich Schusswechsel mit der Polizei.

Ein im Land umstrittener und per Dekret ernannter neunköpfiger "Präsidialer Übergangsrat" hatte zunächst am 25. April Michel Patrick Boisvert ins Amt des Premiers gebracht. Bélizaire soll Boisvert nun ablösen.

Boivert hatte eine Verlängerung der Ausgangssperre für drei Tage verkündet, die am 1. Mai um 19.00 Uhr in Kraft trat. Der Ausnahmezustand ist seit dem 4. April in Kraft.

Der haitianische Übergangsrat hat neben der Einsetzung des neuen Premierministers auch einen Leiter der Institution für den Übergang des Landes, den ehemaligen Präsidenten des Senats, Edgar Leblanc, ernannt.

Leblanc kündigte "baldige Signale" dafür an, dass die Sicherheitsfrage in Angriff genommen würde. Das haitianische Informationsnetzwerk AlterPresse befürchtet indes, dass die Kontroversen um die Einsetzung der Institutionen des Übergangs, die bis zum 7. Februar 2026 die Sicherheit und Versorgung in dem Karibikstaat wiederhergestellt und allgemeine Wahlen organisiert haben sollen, eine neue Verschärfung der Krise befürchten lassen. Insbesondere sei die Wahl des Interimspremiers "außerhalb der im Abkommen zur Überwindung der Krise vom 3. April vorgesehenen Schritte" abgewickelt worden.

Der unabhängige UN-Experte für die Menschenrechtslage in Haiti, William O’Neill, wurde dieser Tage in einer TV-Gesprächsrunde gefragt, wieso das UN-Waffenembargo für Haiti so schwer durchzusetzen sei. Der größte Teil von Schusswaffen und Munition, die bei Gewalthandlungen in Haiti eingesetzt werden, stammt aus illegalen Einfuhren aus den USA. O’Neill erklärte dazu, dass er in Washington diese Frage wiederholt vorgebracht, aber keine zufriedenstellende Antwort erhalten habe.

Weite Bereiche der haitianischen Öffentlichkeit sehen im Übergangsprozess lediglich die alte politische Elite beteiligt (amerika21 berichtete). AlterPress zitiert stellvertretend eine "verzweifelte Mutter" aus einem von unkontrollierbarer Gewalt besonders betroffenem Gebiet: "Das Land ist weit davon entfernt, aus dem Abgrund herauszukommen". Die Mitglieder des Übergangsrates nannte sie "Betrüger".

Die Stimmung im Land wird als "äußerst angespannt" geschildert. Während der Übergangsrat auf die Ankunft einer internationalen Polizeitruppe, angeführt von Kenia und genehmigt von den Vereinten Nationen, setzt, geht der Redakteur der haitianischen Wochenzeitschrift Haiti Liberté, der US-Jounalist Kim Ives, davon aus, dass der Rat nicht wird Fuß fassen können.

Er sei "völlig dysfunktional" und "keine haitianische Lösung, er ist "eine Washingtoner Lösung". Ives schätzt die Ablehnung des Prozesses, der von den USA und der Gemeinschaft Karibischer Staaten (Caricom) gefördert wird, als die "bei weitem vorherrschende Stimmung im Land" ein.

Indes ist in Haiti auf dem für den Zivilverkehr geschlossenen Hauptstadt-Flughafen die dritte Landung einer US-Militärmaschine beobachtet worden. Der X-Account von Radio RFM 104.9 veröffentlichte am 3. Mai eine aktuelle Handyaufnahme mit einem US-Flugzeug auf der Landebahn des Flughafens.

US-Staatssekretär Todd D. Robinson, im US-Außenministerium für das Büro für internationale Drogen- und Strafverfolgungsangelegenheiten, bestätigte gegenüber dem Miami Harald die Vorbereitungen der internationalen Polizeimission in Haiti.

Die Mission könnte in zeitlichem Zusammenhang mit einem Staatsbesuch des kenianischen Präsidenten William Ruto in Washington Ende des Monats starten, so eine Andeutung von Robinson. Das Pentagon, das 200 Millionen US-Dollar Unterstützung zugesagt hat, hat es übernommen, einen Stützpunkt und Ausrüstung für die bewaffneten multinationalen Kräfte bereitzustellen.